Pandora, -die Allbegabte, ist eine von Hephaistos, dem Gott des Feuers, aus Lehm geschaffene wunderschöne und sehr neugierige junge Frau. Aus Rache für das Entwenden des Feuers durch Prometheus, der durch seinen Diebstahl das Feuer den Menschen zugänglich machte, gab Göttervater Zeus dem Götterschmied Hephaistos diesen speziellen Auftrag. Der griechische Dichter Hesiod wird als erster Autor des Pandora- Mythos benannt, der diesem Mythos mit seiner literarische Stimme einen durchaus und durchwegs patriarchal geprägten Blickwinkel gab. Wiederholte Male habe Hesiod in seinem literarischen Text die Frau als „ein Übel“ bezeichnet, was die Interpreten*innen dazu bewegte, Hesiods Textgestaltung letztendlich an den Beginn einer literarischen Tradition der Frauenfeindlichkeit zu stellen.
Googelt man nach dem Begriffsinhalt, der in heutiger Zeit mit der „Büchse der Pandora“ allgemeinen Bedeutung, findet man zum Beispiel „Jede Quelle großer und unerwarteter Probleme” (Chambers Dictionary) oder auch “Ein Geschenk, das wertvoll erscheint, aber in Wirklichkeit ein Fluch ist.“ (Brewer’s Concise Dictionary of Phrase and Fable). Wie wichtig diese Konnotation ist, wird erst dann deutlich, wenn wir uns als Frauen bewusst machen, wie tief die Geringschätzung und Abwertung der Frau auch unbewusst in der Sprache verankert ist. Wer von uns hat nicht schon einmal das Sprichwort in Bezug auf eine schwierige Situation verwendet, dass es wohl besser wäre, die Büchse der Pandora nicht zu öffnen um eine mögliche negative Entwicklung zu verhindern?
In der mytologischen Erzählung erhält nun die aus Lehm geschaffene junge Frau Pandora eine Büchse oder auch ein verschlossenes tönernes Gefäß, das unter keinen Umständen geöffnet werden durfte, wenn es erst einmal seinen Platz unter den Menschen gefunden hatte. Die mit unsäglicher Neugier ausgestattete Pandora wusste natürlich nichts davon, dass in diesem Gefäß sich alle Übel der Welt aber auch – man höre und staune – zuunterst ein Stück Hoffnung befand.
Nachdem der Götterbote Hermes Pandora zu ihrem zukünftigen Ehemann Epimetheus, dem Bruder von Prometheus brachte, können wir schon fast erahnen, welchen Lauf die Dinge in dieser Geschichte nahmen.
Denn natürlich nahm Epimetheus trotz Warnung seines Bruders Prometheus Pandora „das Geschenk der Götter“ an und natürlich öffnete Pandora getrieben von ihrer unsäglichen Neugier letztlich doch besagtes Gefäß. In anderen Erzählungen stiftete sie ihren Mann Epimetheus dazu an, das Gefäß selbst zu öffnen und ermöglichte damit allem Übel der Welt seinen Weg in das Dasein der Menschheit zu finden. So wurde Pandora, die von den Göttern mit Schönheit, Geschicklichkeit, Liebreiz und weiteren Talenten ausgestattet wurde, selbst zum Übel für die Menschheit, da sie das Entfliehen aller menschlichen Schatten ermöglichte.
Soviel zu der allgemein bekannten Version des Pandora Mythos.
“Der Verbleib der zuunterst liegende Hoffnung wird unterschiedlich beschrieben. In manchen Erzählungen bleibt sie in dem Gefäß gefangen, in anderen wird das Gefäß noch einmal geöffnet, sodass die Hoffnung auch ihren Weg in das menschliche Dasein finden konnte.
Bei Pandora handelt es sich im mythologischen Kontext um die erste Frau der Menschheitsgeschichte. Der Vergleich zur biblischen Eva drängt sich hier unweigerlich auf. Die Parallelen zum Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies sind auffallend, vor allem im Bezug auf die weibliche Protagonisten als Anstifterinnen zum Sündenfall und zur Missachtung göttlicher Vorgaben.
Der Dreh- und Angelpunkt einer ganz anderen Interpretation des Pandora Mythos nimmt auf die mögliche falsche Übersetzung des Ausdrucks „Pithoi“ als “Büchse” Bezug (Prof. Dr. Wolfgang Rösler, Humboldt-Universität Berlin ). Ein „Pithoi“ sei nicht als „Büchse“ sondern als „das größte tönerne Vorratsgefäß der Griechen“ zu übersetzen. In diesem seien Vorräte wie Wein, Getreide und Olivenöl aufbewahrt worden. Pandora in ihrer Rolle als Frau habe das Behältnis geöffnet um die Vorräte zu verbrauchen. Am Boden des Gefäßes seien die Samen für die nächste Aufzucht als Hoffnung auf die nächste Ernte gelagert gewesen. Prof. Dr. Wolfgang Riedel (Universität Würzburg) mutmaßt weiters, dass Pandora als erste Frau ursprünglich eine Fruchtbarkeitsgöttin und als „Allschenkende“ verehrt wurde. Dies gibt uns nun ein ganz anderes Bild der Pandora, obwohl selbstverständlich auch hier der Zusammenhang von Mythos und Geschlechterrolle nicht übersehen werden sollte. Wie sich die Interpretation „des Übels der Menschheit“, der Schuldfrage und des Endes des paradiesischen Urzustands im Pandora Mythos oder auch in der Geschichte der biblischen Eva etabliert hat, möge hoffentlich noch in weiteren literatur- und medienwissenschaftlich orientierten Gender Studies untersucht werden.
Weiterführende Literatur: Pandora’s Senses, Vered Lev Kenaan (2008); Pandora, Heinz-Peter Preußer (Hg.), Françoise Rétif (Hg.), Juliane Rytz (Hg.)(2012)