Altern – für viele Frauen bleibt es ein leises Tabu, ein Prozess, über den kaum jemand spricht.
In einer Gesellschaft, die Jugend und Perfektion vergöttert, wird Reife oft als Schwund erzählt – als etwas, das man korrigieren, verstecken oder besiegen soll. Doch das Altern ist keine Niederlage, sondern eine Verwandlung: eine Einladung, die eigene Tiefe zu betreten.
Als Psychotherapeutin sehe ich, wie sehr Frauen – auch mich selbst – diese Übergänge bewegen – körperlich, seelisch, spirituell. In jeder Faser ruft der Körper nach Beziehung, nach Aufmerksamkeit, nach einem neuen, liebevollen Dialog. Das Altern macht sichtbar, was lange überhört wurde: Bedürfnisse, Grenzen, Verletzlichkeit – aber auch Weisheit, Selbstkenntnis, Würde.
Als Künstlerin erforsche ich diesen Wandel in Bildern. In meinen Collagen verschmelzen Körper, Symbole und Seelenlandschaften – sie erzählen von Transformation, von der Schönheit des Gereiften, vom Mut, sichtbar zu bleiben.
So wird Altern für mich zu einem schöpferischen Prozess: ein Abwerfen alter Häute, ein Lauschen auf das, was bleibt, wenn nichts mehr beeindrucken muss.
Ein Werden – mitten im Vergehen.

Da ist der Schock, fast wie ein Verrat:
Mein Körper, der mich getragen, wild getanzt, und immer geheilt hat – nun bleibt er immer öfter liegen. Er renkt sich nicht mehr selbst ein, er fordert zunehmend meine Aufmerksamkeit. Er spricht mit brennender Ferse, mit einer Hüfte, die nicht schweigt, mit Müdigkeit, die bleibt.
Es ist meine Begegnung mit einer neuen Dimension des Seins.
Kein Rumwirbeln mehr wie früher, sondern ein stiller Pas de Deux mit der Vergänglichkeit.
Ich war gewohnt, dass mein Körper sich rasch erholt – eine Woche, und alles war wieder gut.
Selbst ist die Frau – kraftvoll und unbeugsam, jederzeit das Schwert schwingend, egal wie schwer die Klinge. Das hat super gut und super lang für mich funktioniert.
Doch jetzt ist es anders:
Ein Infekt, der zwei Monate bleibt, eine Ferse, die immer noch brennt, eine Hüfte, die jede Nacht zu mir spricht. Es ist, als ob mein Körper mir die Endlichkeit ins Ohr flüstert, beharrlich, unüberhörbar.
Das erste Erwachen:
Zuerst war da der Frust. Mein Ärger darüber, dass ich nicht mehr so wie sonst immer „funktioniere“, dass sich das „wie früher“ nicht mehr zur Gegenwart machen lässt. Ein Teil von mir wollte die Symptome wegschieben, einfach abkoppeln von der körperlichen Realität: „Wird schon wieder werden!“ So wie es eben immer war.
Doch dieses Jahr geht es nicht mehr so wie früher. Mein Körper verlangt Beziehung, Nähe, Zuwendung und Verbindung zu seinen ganz eigenen Bedingungen.
Das Altern bringt seine eigene Agenda mit:
💧Verlust von Elastizität – die Gelenke melden sich, die Faszien ziehen, Heilung dauert länger.
💧Hormone, die schweigen – der Schutz durch Östrogen ist verblasst, und mit ihm eine jugendliche Leichtigkeit im Stoffwechsel, in Haut und Knochen.
💧Schlaf, der fragiler wird – Nächte, in denen der Körper und die Gedanken rufen, statt sich auszuruhen.
In all dem spüre ich ganz deutlich:
Es geht nicht darum, den alten Körper zurückzuerobern. Es geht darum, den neuen zu empfangen. Und das verlangt einen anderen Tanz:
💧Statt zu fordern, beginne ich nun öfter zu lauschen.
💧Statt zu beschleunigen, lerne ich zu verlangsamen.
💧Statt Härte braucht es jetzt Milde, sanfte Bewegung, kleine Rituale.
Das ist mühsam und nicht einfach zu akzeptieren für mich.
Gesellschaftliche Normen:
Unsere Gesellschaft zeigt uns vor allem das glatte, junggehaltene, „optimierte“ Frauenbild. Aber daneben gibt es eine wachsende Zahl von Frauen, die mit ihrer körperlichen Reife anders umgehen – sichtbar, ungeschönt, kraftvoll.
Wo sind die Vorbilder?
Vielleicht ist das der neue Archetyp, den es schon lange gibt und den es wieder sichtbar zu machen gilt: die Frau, die mit grauem Haar und all den Lebensnarben nicht im Schatten verschwindet, sondern ihre Reife wie einen Mantel trägt – nicht als Makel, sondern als Autorität.
Es gibt sie – diese Frauen, die ein anderes Bild verkörpern. Sie tragen ihre Jahre sichtbar, ohne sie zu verleugnen. Falten, graues Haar, Narben, langsamere Bewegungen.
Diese Frauen lassen sich nicht mehr von der Diktatur der Anpassung bestimmen. Sie feiern ihren Körper nicht, weil er makellos wäre, sondern weil er Wahrheit trägt. Sie sprechen offen über Schmerz und Veränderung, ebenso wie über Lust, Kraft und Freude.
Worte finden, Wissen und Erfahrung teilen:
Darüber zu sprechen, die Erfahrungen des Alterns hörbar zu machen, ist wesentlich – Worte schaffen Verbindung zu uns selbst und zu anderen, sie werden zur Brücke, die wir brauchen, zu einem Reifen, das uns Tiefe schenkt.
So entsteht ein anderes Bild, das wir mit anderen teilen können:
💧Die Frau, die sich der Logik des Glattbügelns entzieht.
💧Sie trägt ihr Alter wie einen Umhang aus Wahrheit: Falten, graue Strähnen, ein Körper, der nicht mehr eilfertig gehorcht – und gerade darin Würde findet.
💧Sie versteckt nicht, sie verwandelt.
💧Sie versteckt SICH nicht, sie wandelt SICH.
💧Sie verschwindet nicht – sie tritt anders hervor.
In einer Welt, die Jugend zum Maßstab erhebt, verkörpert sie eine andere Schönheit: die Schönheit der Reife, der Klarheit, der unerschütterlichen Präsenz.
Wie gehst du mit deinem Älterwerden um? Ich würde mich freuen, deine Gedanken und Überlegungen zu diesem Thema in den Kommentaren zu lesen!